Review: Tote Mädchen lügen nicht – Staffel 2

Gerade einmal eine Woche habe ich benötigt, um die zweite Staffel von Tote Mädchen lügen nicht anzusehen. Angesichts dessen, dass es sich dabei um 13 Folgen und eine abschließende Talk-Runde mit den Darstellern handelt, keine Selbstverständlichkeit ist. Es ist aber tatsächlich nicht einfach, davon zu lassen und ich musste mit Bedauern feststellen, dass sich die dritte Staffel erst noch in Produktion befindet und erst im Jahr 2019 veröffentlicht wird. Nun denn, es lässt sich nicht ändern. Aber wie war sie denn nun, die 2. Staffel der Serie, die hochkritiert wird, weil es sich um die Geschichte eines Mädchens handelt, welches sich selbst das Leben genommen hat?

Achtung: Dieser Artikel enthält Spoiler zur Serie. Wenn du dich überraschen lassen möchtest, solltest du ab hier nicht weiterlesen.

Die Story

Die zweite Staffel startet kurze Zeit, nach dem Ende der ersten Staffel. Es geht um den Gerichtsprozess gegen die Schule, die von Hannah’s Eltern für deren Suizid verantwortlich gemacht wird. Auf den Kassetten haben wir in Staffel 1 Hannahs Geschichte gehört, von ihr selbst erzählt. Im Laufe von Staffel 2 hören wir ihre Geschichte, aber aus Sicht der anderen. Und nicht selten fragt man sich, ob man sich vielleicht von der Erzählung der armen jungen Frau getäuscht hat. War Hannah vielleicht gar nicht so unschuldig, an dem, was ihr passiert ist? Und es kommen noch viel mehr Geschichten rund um Hannahs Schulkameraden ans Licht.

Die Kritik

Auch zur zweiten Staffel gibt es starke Kritiker. Und auch hier finde ich diese nicht grundlegend falsch, denn besonders die Gewaltdarstellungen in den einzelnen Folgen sind schon ziemlich erschreckend und verstörend. Andererseits denke ich, dass – wenn das tatsächlich die Realität an Schulen und HighSchools spiegelt, ist es vielleicht sogar besonders wichtig, es so drastisch darzustellen. Um den Zuschauern, die bereits aus der Schule raus sind und/oder eigene Kinder im Schulalter haben, die Augen zu öffnen. Damit sie sensibilisiert werden für die Geschehnisse, die vielleicht genau vor ihren Augen passieren. Andererseits gibt es wohl auch einige Befürworter, die sogar der Meinung sind, die Serie sollte – natürlich pädagogisch begleitet und vielleicht um die ein oder andere Szene entschärft – sogar verpflichtend im Unterricht gezeigt werden. Damit den Schülern klar wird, was Gewalt und Mobbing anrichten können. Trotz aller Kritik wurde die Ausstrahlung der Serie nicht verhindert.

Review

Diese Staffel ist deutlich subtiler, da sie mehrere Handlungsstränge verfolgt. So sehen wir einerseits, wie Hannahs Mitschüler mit den bisherigen Enthüllungen und Hannahs Tod umgehen. Ausserdem nehmen auch die Eltern einen deutlich größeren Teil der Geschichte ein, denn wir begleiten (vornehmlich) Hannahs Mutter durch die Gerichtsverhandlungen. Wie furchtbar muss es für eine Mutter sein, nach dem Selbstmord des eigenen Kindes nach und nach zu erfahren, dass man wenig bis gar keinen Anteil mehr am Leben der Tochter hatte und kaum darüber Bescheid wusste, was dem Kind passierte. Hatten die vermeintlich Schuldigen es in der ersten Staffel mit Kassetten zu tun, die Hannah vor ihrem Tod aufgenommen hat, tauchen nun nach und nach Polaroid-Fotos auf, die auf erschreckende Missstände innerhalb der Schulgemeinschaft hindeuten. Und während wir in der ersten Staffel beobachten mussten, wie Hannah durch die Quälereien ihrer Mitschüler in die Depression und schließlich in den Selbstmord getrieben wurde, wohnen wir nun einer anderen Entwicklung bei, die ebenfalls durch Quälereien hervor gerufen wird. Bereits im Staffelfinale von Staffel 1 hat sich angedeutet, dass Tyler Furchtbares plant und während der gesamten zweiten Staffel wird das weiter aufgebaut in einer Achterbahnfahrt und während man kurz vor Ende der Staffel noch Hoffnungen wägt, dass vielleicht doch noch alles gut wird und das schlimmste abgewendet werden konnte, kippt diese Hoffnung in der letzten Folge ins Gegenteil um.

Spoiler zur zweiten Staffel Teil 1
Aber ernsthaft – nachdem Tyler in der letzten Folge so brutal von seinen Mitschülern misshandelt wurde – ein Wunder, dass er das überhaupt überlebt hat – da kommt man nicht umhin, zumindest die Beweggründe für seinen geplanten Amoklauf zu verstehen. Und es ist ja auch erwiesen, dass Amokläufe in Schulen meist von Schülern durchgeführt wurden, welche einen sehr schweren Stand in der Schule hatten. Leider werden die meisten Amokläufer im Zug des Amoklaufes getötet oder richten sich selbst, so dass man in den meisten Fällen wohl nie vollständig wissen wird, was diese meist noch sehr jungen Menschen zu dieser Tat getrieben hat. Man sieht jedenfalls, wie eng die Kurve ist, die es für Clay zu umfahren gilt, als er mit Tyler vor dem Eingang der Sporthalle spricht.

Es gab aber auch viele schöne Szenen und Entwicklungen in der zweiten Staffel.

Spoiler zur zweiten Staffel Teil 2
So finde ich wunderbar, wie sich die Verbindung zwischen Clay und Justin entwickelt. Beide wollen eigentlich nichts voneinander wissen oder miteinander zu tun haben und doch entwickelt sich zwischen den beiden im Laufe der einzelnen Folgen ein Band, was irgendwo zwischen Freundschaft und Brüderlichkeit endet. Die Verbindung der beiden und die Dialoge zwischen ihnen schaffen es, die Serie aufzulockern. Ob es dafür reicht, Justin in der 3. Staffel endgültig von den Drogen loszubekommen? Und auch die Verbindung zwischen Zach und Hannah, zwischen Alex und Zach und noch einige weitere haben mir sehr gefallen.

Man kommt also ein bisschen weg davon, dass jeder Beteiligte für sich mit den Nachwirkungen von Hannahs Selbstmord kämpft und hin zu einem Miteinander, einem Gemeinsam. So war eine der Schlüsselszenen, als sich Clay und seine Freunde während des Balls mitten auf der Tanzfläche in den Armen lagen und sich gegenseitig stützten während das Lied „The Night we met“ von Lord Huron lief, zu dem Clay mit Hannah getanzt hatte.

Meine Meinung:

Einiges in dieser Staffel wurde ziemlich in die Länge gezogen. Das ist zwar beim Anschauen nervig, aber wenn wir uns die Realität anschauen, dort ist ein Gerichtsverfahren auch zuweilen sehr langwierig und es ist nun mal ein sehr schwieriges Thema, wenn sich unterschiedliche Parteien gegenseitig beschuldigen am Suizid einer jungen Frau schuld zu sein. Teilweise fühlt man sich aber etwas überrumpelt oder als hätte man einen Filmriss, denn einige Informationen (z.B. warum Hannahs Eltern jetzt getrennt sind) bekommt man erst im Laufe der Staffel nachgeliefert. Auch bei dieser Staffel fehlt mir noch ein wenig der positive Kontext beim Mobbing-Thema und ich hoffe, dass es vielleicht in der dritten Staffel dazu kommt. Wir haben ja nun 2 negative Folgen von Mobbing und Co. gesehen – doch wie kommt man aus so einer Geschichte wieder heraus, und zwar ohne Schaden für sich selbst oder andere?

Wieder gibt es Szenen, die traumatisieren, wieder gibt es Warnungen vor und nach den einzelnen Episoden. Wieder gibt es große Diskussionen darum, ob das Anschauen einer solchen Serie eventuell abstumpft oder zu solchen Taten inspiriert. Also ich für meinen Teil kann sagen, dass ich nicht abgestumpft werde, dass mich jede einzelne gezeigte Gewalt-Szene mitnimmt. Es ist ein schwieriges Thema, ich denke aber, dass vor dieser Serie auch deshalb gewarnt wird, weil man sich nicht mit dem Thema beschäftigen will. Durch das Schauen dieser Serie kann man nicht mehr mit seinen schlechten Erlebnissen hinterm Berg halten. Wichtig ist aber, dass man über die Serie und die darin enthaltenen Geschehnisse sprechen muss, vor allem mit jüngeren oder betroffenen Zuschauern. Ich bin auch der Meinung, dass sowohl jüngere Menschen (und in Anbetracht der Gewaltszenen würde ich hier tatsächlich auch 15jährige mit einschließen) als auch Menschen, die selbst mit diesen Problemen konfrontiert sind oder waren, die Serie nicht allein schauen sollten.

Ich für meinen Teil bin sehr gespannt auf die 3. Staffel. Ich denke dort wird man sich wohl vom Handlungsstrang um Hannah verabschieden und ich bin gespannt, wie sich die Serie dann weiter entwickelt. Bis zum Start der dritten Staffel werden aber noch so einige Monate vergehen, bisher ist von Netflix nur gesagt, dass die 3. Staffel 2019 kommen soll.

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