Warum die Presse jetzt endlich anfangen sollte, über Suizide zu berichten

Es scheint ein ungeschriebenes (?) Gesetz in der Presse zu sein: Über Selbsttötungen bzw. Suizide wird nur in Ausnahmefällen berichtet, nämlich dann, wenn es ein großes öffentliches Interesse an der Berichterstattung gibt. Meist ist das der Fall, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen Prominenten handelt. Doch in den letzten Tagen wurde auch über einen anderen Suizid berichtet. Den Suizid eines jungen Mädchens. Gerade einmal 11 Jahre alt, hat dieses sicherlich zauberhafte Wesen entschieden, dass es den Anforderungen ihrer Mitmenschen nie genügen können wird und ihr Leben vorzeitig beendet. Schnell wurde bekannt, dass das Mädchen an ihrer Schule gemobbt wurde und das vermutlich der Grund für ihr Leiden war.

Ich möchte nun gar nicht wirklich auf das Thema Mobbing hier eingehen, das habe ich ja auch schon in meinen Reviews von den beiden Staffeln von „Tote Mädchen lügen nicht“ getan (Review Staffel 1 und Staffel 2). Mobbing ist furchtbar und zerstört Leben und selbst, wenn man körperlich unbeschadet aus der Sache kommt, trägt man auf der Seele unter Umständen für das restliche Leben Narben auf der Seele.

Was mir hierbei aber wieder aufgefallen ist, ist die Bestürzung vieler Menschen, das Leugnen der Tatsache, dass Mobbing viel öfter vorkommt als viele es wahr haben wollen und welche Schäden es anrichten kann. Es ist erschreckend, dass es immer noch so oft geleugnet wird und vielleicht hat das einfach auch mit dem oben beschriebenen Pressegesetz zu tun, dass über so etwas nicht berichtet wird. Wer den Ansprachen von Anti-Mobbing-Trainer Carsten Stahl folgt, wird dort bereits gehört haben, dass sich jeden zweiten Tag Suizide aufgrund von Mobbings zutragen. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Natürlich kommt man ins Grübeln, frei nach dem Motto: „Ist das nicht etwas übertrieben? Ich habe noch nie von einem Suizid eines Schülers gehört, das wäre doch sicher in die Presse gekommen…“ NEIN, kommt es eben nicht und deswegen geht es auch nicht in die Köpfe der Menschen, dass es sich vor ihren Nasen abspielt. Wie sehr die Kinder unter der Situation leiden.

Vielleicht sollte also hier ein Hebel umgelegt werden bei der Presse. Vielleicht sollte die Presse über solche Fälle offener berichten. Natürlich würdevoll und so anonym wie möglich, aber sie sollten berichten! Nur dann kommt Bewegung ins Spiel und die Menschen beginnen über das Thema zu reden. Nicht nur die Erwachsenen, vielleicht macht einen solch ein Bericht auch aufmerksam darauf, wie es eigentlich den Kindern im näheren Umfeld geht. Natürlich ist es kein einfaches Thema und sicherlich sollte man gerade das WIE des Suizides nicht in die Presse zerren – aber das WARUM. Damit man gezwungen ist, sich damit zu beschäftigen.

Außerdem hilft es vielleicht auch dem ein oder anderen Betroffenen zu wissen, dass man nicht allein ist und gleichzeitig Wege aufzuzeigen, wie und wo man Hilfe bekommt (Sorgentelefon etc.).

Ich meine, es gibt schließlich auch immer mehr Dokumentationen die das Handeln von Attentätern, Amokläufern oder Serienmördern beleuchten, von der Wiege bis zur Bahre wird ausgebreitet, warum dieser Mensch an den Punkt geraten ist, an dem der Ausweg mit dem Leid anderer Menschen einherging. Das wird alles bestens dokumentiert, selbst bei Schul-Amokläufen und läuft im Free-TV inklusive Original-Aufnahmen von Smartphones aus den Klassenräumen. Und da frage ich mich doch jetzt einfach mal, warum diese Pressearbeit nicht zur Nachahmung anstiften sollte? Denn das ist ja das Totschlag-Argument schlechthin, warum die Presse nichts zu Suiziden schreibt – man möchte keine Nachahmungsfälle. Aha. Irgendwie macht das in meinen Augen keinen Sinn. Wenn ein Mensch so verzweifelt ist, findet er auch ohne solche Berichte genug Ideen und Möglichkeiten, sein Leben zu beenden. Und wir dürfen auch nicht vergessen, das es mittlerweile kaum eine Fernsehserie gibt, in der das Thema nicht in irgendeiner Form auch mal thematisiert wird. Aber gut, das ist ja auch einer der Hauptkritikpunkte an der Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, es wäre alles zu krass dargestellt. Und dann liest man sich die Kommentare unter entsprechenden Facebook-Posts an und liest dort unzählige Berichte von Betroffenen oder Eltern von Betroffenen, die genau diese Vorfälle bestätigen und noch schlimmere Vorfälle berichten.

Es ist REAL. Mobbing existiert und es hat schreckliche Folgen. Übrigens für Opfer UND Täter. Liebe Presse-Mitarbeiter: FANGT AN ZU BERICHTEN! Es wird höchste Zeit. Sofern es ein Umdenken bei der Presse geben sollte, wäre der Tod des kleinen Mädchens zwar immer noch sinnlos und tragisch, aber nicht umsonst gewesen.

Den Eltern, Freunden und Angehörigen der kleinen Prinzessin wünsche ich alles Gute und viel Kraft in dieser schweren Zeit.

Sunny

w

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