Zum Sturm auf das Kapitol

Also eigentlich hatte ich geplant, eine Review zur Serie McLeods Töchter zu schreiben. Die schiebe ich jetzt aber noch mal auf, denn mal wieder passiert etwas, worüber ich mir einfach etwas von der Seele schreiben muss, also wird der Plan mal wieder über den Haufen geworfen. Zum Glück sind wir das alle in dieser Zeit ja gewöhnt.

Als ich letzten Mittwoch vor dem Zubettgehen noch einmal den TV einschaltete, um durchzuzappen wurde mir schlagartig schlecht, als ich die Bilder aus Washington sah. In der Tat hatte ich schon am frühen Abend von der Rede von Trump gehört und schon da, musste ich mit dem Kopf schütteln. Dass seinem Aufruf zur Gewalt, aber so viele Menschen folgen würden und die zuständigen Polizisten oder Sicherheitsbeamte so wenig gegenzusetzen haben würden, das hat mich dann schon erschreckt. Es war ja irgendwie doch abzusehen, dass so etwas passieren würde, immerhin wiegelt Trump seine Anhänger schon seit der Wahl auf. Trotzdem hätte ich nicht erwartet, dass es zu solchen Exzessen kommt. Im Nachgang ist klar: Das Ganze hat 5 Menschen das Leben gekostet und auch, wenn es sich dabei (zum Teil) um Trump-Anhänger gehandelt hat oder vielleicht gerade deswegen, halte ich den noch amtierenden Präsidenten für mitschuldig am Tod dieser Menschen.

Erst ein Wahlprogramm fahren, was keines ist, sondern nur die eigene Person in den Mittelpunkt stellt; bei Wahldebatten durch Missachtung jeglicher Regeln glänzen und keinerlei Respekt gegenüber anderen (sowohl Gegenkandidat als auch Moderation gegenüber) haben, und dann rumzetern, wie ein bockiges Kind, als die Stimmen nicht so ausfielen, wie er das gern hätte und n der Folge die Anhänger immer mehr anheizen und den Sturm auf die eigene Regierung provozieren. Ernsthaft. Sowas kann man sich nicht ausdenken.

Ich freue mich wirklich darauf, dass die Trump-Ära in wenigen Tagen zu Ende geht und zähle die Tage bis zur Vereidigung von Biden. Nicht unbedingt, weil ich denke, dass Biden ein wirklich guter Präsident ist, es würde mich überraschen, wenn er seine Wahlversprechen umgesetzt bekommt. Faktisch halte ich ihn tatsächlich auch für zu Alt für dieses Amt. Aber trotz der ganzen Zweifel an seiner körperlichen Befähigung – das ist immer noch besser als Trump.

Ich konnte Trump wenig Gutes abgewinnen und ich glaube, die wenigen positiven Dinge, die er während seiner Präsidentschaft auf den Weg gebracht hat, hatten auch eher einen Wahlkampfzweck zu erfüllen. Ich halte Trump für einen extrem gefährlichen Menschen, zumindest in solch einer Machtposition. Bereits, als er sich zur Wahl stellte, wurde viel über in publiziert; kaum etwas davon gefiel mir. Weder sein Umgang mit Frauen noch seine Meinung zu einer Mauer zwischen den USA und Mexiko und auch dieses ewige “America first”-Ding mochte ich von Anfang an nicht. Damit man mich nicht falsch versteht: Ich bin durchaus dafür, dass ein Präsident in erster Linie erst einmal sein eigenes Land im Blick hat und wie er diesem Land helfen und es voran bringen kann. Aber nicht mit einer Ellbogentaktik gegenüber allen anderen.

Ich habe also schon damals nicht verstanden, wie so ein Mensch die Wahl zum US-Präsidenten gewinnen konnte und es gab ja auch von vielen Seiten Bedenken, ob die Wahl damals legal war oder ob irgendwo falsche Stimmen abgegeben wurden. Ein wenig kurios, wenn man bedenkt, dass bei der jetzigen Wahl ausgerechnet Donald Trump immer wieder von Wahlbetrug und Stimmendiebstahl spricht. Aber so ist er halt.

Während der Amtszeit machte sich Trump erst viele Freunde, dann viele Feinde. Letzteres ist kein Problem, denn wer es wagte, Kritik zu äußern wurde entweder öffentlich geächtet oder schlichtweg ersetzt, wenn Trump irgendwie die Möglichkeit hatte. Mir ist die Geschichte der amerikanischen Politik nicht ganz geläufig, aber ich glaube, es gab wohl seit langem keinen Präsidenten mehr, der mehr polarisierte – sowohl positiv als auch negativ.

Donald Trump weiß genau, wie er seine Anhänger steuern muss. Leider hinterfragen die ihren Anführer gefühlt auch recht selten. Zu hoffen bleibt, dass zumindest bei einem Teil seiner Anhänger nun ein Umdenken stattfindet. Tatsächlich scheint das zumindest unter einigen Politikern jetzt zu passieren, denn dort haben sich immer mehr von ihm abgewandt, mittlerweile steht auch ein zweites Impeachment-Verfahren zur Debatte. Und auch, wenn das Impeachment zumindest an der aktuellen Situation nichts ändert, weil die Zeit bis zum 20. dafür einfach zu knapp ist, wäre es doch in meinen Augen von Vorteil, wenn man das anstrengt und diesmal auch erfolgreich durchläuft. Trump könnte dann nämlich nicht erneut in 4 Jahren kandidieren und würde auch sonst ein paar Annehmlichkeiten, die ehemaligen Präsidenten zustehen, verlieren. Immerhin wenden sich auch viele “Parteifreunde” von ihm seither ab und kann nur spekuliert werden, was das “Trump-Debakel” auch noch für Folgen für die Republikanische Partei haben wird.

Wobei für mich ja auch spannend ist, wie es mit den Anklagen gegen ihn weitergeht. Nur noch wenige Tage ist er durch seine Präsidentschaft nämlich davor geschützt, Rechenschaft abzulegen zu Themen wie Steuerhinterziehung, sexuellem Missbrauch, Nötigung und was weiß ich noch. Ich hätte auch hier nichts dagegen, wenn er dort zur Rechenschaft gezogen wird.

In jedem Fall hoffe ich sehr, dass die Sicherheitsanstrengungen, die jetzt getroffen wurden, ausreichen, denn es würde mich nicht überraschen, wenn Trump zur Amtseinführung von Biden noch einmal so eine Ansprache los lässt und seine Anhänger zum Kapitol schickt – ich hoffe es nicht, aber es würde mich nicht überraschen. Andererseits glaube ich, dass er dadurch, dass er plötzlich während des Sturms seine Anhänger, die seine Provokation ausführten auch wieder maßregelte und verurteilte, vielleicht noch den ein oder anderen aufgeweckt hat.

Es wird für Biden eine große Aufgabe werden, Ruhe reinzubringen. Ich wünsche ihm, dass es ihm gelingt, aber er hat viele Baustellen zu lösen. Er “erbt” ein extrem gespaltenes Land mit Rasseunruhen, Coronapandemie, Verschwörungstheorien, schlechten Außenbeziehungen und und und. Es gibt viel zu tun. Ich hoffe jetzt erstmal, dass bis zu seiner Vereidigung alles gut geht.

 

 

Sunny

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