Das Schulbegleiter-Pool-Modell und seine Folgen für uns

Beim letzten Elternabend wurde das Pool-Modell für die Schulbegleitungen vorgestellt. Während es vorher so war, dass Schulbegleitungen auf Antrag unter Prüfung ärztlicher Unterlagen vom Kreis bewilligt oder abgelehnt wurden und einem speziellem Kind zugeteilt waren; trat am 01.11.2020 das sogenannte „Pool-Modell“ an unserer Schule in Kraft.

Was ist das Pool-Modell für Schulbegleitungen?

Dabei wird der Schule ein Stundenkontingent vom Kreis zur Verfügung gestellt. Auf Basis dieses Kontingents werden dann mit einem festgelegtem Vertragspartner Schulbegleiter der Schule zugeordnet. Vertragspartner wird eine pariätätische Vereinigung, ASB, Malteser oder wer sonst Schulbegleitung anbietet. Allerdings gibt es eben nur einen Vertragspartner.

In unserer Schule kamen die Schulbegleiter von 2 verschiedenen Organisationen. Nachdem man sich auf einen Vertragspartner geeinigt hatte, hatten die Schulbegleiter des anderen Trägers nur die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln oder sich an eine andere Schule versetzen zu lassen. Ob das allerdings so ohne weiteres möglich ist, weiß ich nicht, aber in jedem Fall hätte das wohl eine Trennung vom zugeordneten Kind zur Folge. Auf Fehmarn haben sich alle Schulen dem Pool-Modell verschrieben, ob alle mit demselben Träger zusammen arbeiten, weiß ich nicht.

Vor- und Nachteile des Pool-Modells

Hintergrund ist der, dass die Schulen mehr Kontrolle darüber wollen, welche Schulbegleiter an der Schule sind und welchen Kinder bzw. welchen Klassen sie diese zuordnen wollen. Das positive daran ist, dass die Schulbegleiter mehr Sicherheit haben; sie gelten genauso wie Angestellte der Schule und müssen nicht nach Ablauf einer Bewilligung auf eine Verlängerung hoffen. Selbst, wenn das Kind die Schule aufgrund eines Umzuges wechseln sollte, bleiben sie in der Schule erhalten und werden dann schulintern an ein anderes Kind oder einer anderen Klasse zugeteilt. Für die Schulbegleiter also nicht ganz so schlecht (es sei denn, man ist gezwungen zu einem Träger zu wechseln, dessen Arbeitsbedingungen schlechter sind, als beim aktuellen). Ein weiterer Vorteil ist sicherlich, dass schulintern mal schnell für Ersatz gesorgt werden kann, wenn eine Schulbegleitung erkrankt ist oder die Schulbegleitung problemlos für ein anderes Kind zur Verfügung gestellt werden kann, wenn das eigentlich betreute Kind mal krank ist.

Schon als ich beim Elternabend davon gehört habe, machten sich bei mir Zweifel breit. Es hat ja seinen Grund, warum ein Kind einen Schulbegleiter bewilligt bekommt oder eben nicht. Es gibt klare Diagnosen bei denen eine festgesetzte Stundenanzahl vorgegeben ist. So wurden bei uns zum Beispiel aufgrund der bestehenden Diagnosen und Gutachten 15 Wochenstunden mit Schulbegleiter festgesetzt. Das ist für mich vollkommen okay gewesen. Natürlich wären mehr Stunden besser gewesen, aber wenn die Richtlinien anhand der Diagnosen halt nur 15 Stunden als Maximum erlauben, dann ist das für mich nachvollziehbar. Und wenn ein anderes Kind 20 Wochenstunden Schulbegleitung genehmigt bekommt, weil es andere Diagnosen hat, dann ist das für mich auch völlig in Ordnung. Irgendwelche schlauen Menschen werden sich schon was dabei gedacht haben, wenn bei Krankheit A Vollbegleitung notwendig ist und bei Krankheit B nur 10 Stunden. Es ist ja nun mal auch sehr unterschiedlich, warum ein Kind Schulbegleitung überhaupt benötigt. Vielleicht hat es Diabetes, Asthma oder Epilepsie und es muss jemand da sein, wenn es zu einer Unterzuckerung oder einem Anfall kommt. Da werden sich die Krankheiten ja schlecht denken ‚Oh in der 5. Stunde ist kein Schulbegleiter dabei – ne da können wir jetzt keinen Anfall bringen“. Solche Kinder brauchen dann halt durchgängig jemanden an ihrer Seite. Dasselbe ist es u.U. mit körperlichen Behinderungen; auch da ist völlig klar, dass man genau schauen muss, wobei Hilfe benötigt wird und wenn es halt während des ganzen Schultags zu Situationen kommen kann, in denen das Kind Hilfe benötigt, dann ist das halt so.

Was mir dabei so gegen den Strich geht, ist dass die Schule in die Position gesetzt wird, zu entscheiden, welche Krankheit denn jetzt wie viel Unterstützung bedarf. Oder, dass keine Krankheit vorliegen muss, um einem Kind eine Schulbegleitung zu geben. Das ist zwar grundsätzlich keine schlechte Idee, denn auch ohne medizinischen Hintergrund tut dem ein oder anderen Kind eine engere Betreuung gut. Allerdings gibt es eben nicht unbegrenzte Kapazitäten; im Gegenteil; jede Stunde muss mit dem Kreis besprochen werden.

Einmal Schulbegleitung und zurück

Mein Kind galt als ‚bockig‘ und stur, weil es sich nicht an Regeln halten konnte, weil es nicht still sitzen konnte, weil es sich nicht am Unterricht beteiligen wollte, weil es seine Aufgaben nicht erledigt hat und weil es nicht sagen wollte, warum es das einfach nicht tat. Wenn ich darauf hinwies, dass er jeden Abend Kopfschmerzen hatte, dass es ihm zu laut und zu unruhig ist, dass ihm Kopfhörer nicht helfen, konnte man mir nicht helfen. Eine unruhige Klasse sei normal. Im Gegenteil, ich sollte mir überlegen, ob dies wirklich die richtige Schule für das Kind sei, oder ich ihn nicht lieber auf eine Privatschule schicken möchte. Damit es nicht noch schlimmer wurde, und er gänzlich die Lust an der Schule verlor, entschieden wir uns, eine Schulbegleitung zu beantragen, diese wurde auch bewilligt. Die notwendige Diagnose hatten wir bereits vor der Einschulung erhalten, uns aber – auch in Absprache mit dem Facharzt aus verschiedenen Gründen in der ersten Zeit gegen eine Schulbegleitung entschieden – bis es eben nicht mehr ging. Mit der Schulbegleitung ging es langsam aber stetig aufwärts und wir hatten eine spürbare Entlastung im Alltag.

Das Homeschooling im letzten Frühjahr brachte weitere Entspannung. Kurz nach Ende der Sommerferien tauchten die Kopfschmerzen aber auch vermehrt tagsüber in der Schule auf und ich musste ihn aus dem Unterricht abholen, weil nichts mehr ging. Gegenüber der Schulbegleitung sagte das Kind dann, dass es sich eigentlich um Ohrenschmerzen handle. Davon war vorher nie die Rede, vielleicht, weil das Kind es nicht auseinanderhalten konnte; vielleicht weil er sich nicht richtig mitteilen konnte. Also ab zum Kinderarzt, der aber keine Entzündung feststellen konnte. Als ich 2 Tage später wieder das Kind aus dem Unterricht holen musste und wieder beim Kinderarzt auf der Matte stand, wurde eine Hyperakusis – eine Geräuschüberempfindlichkeit – attestiert. Ohne den Hinweis auf die Ohrenschmerzen von der Schulbegleitung wüssten wir heute noch nicht, was los ist. Plötzlich ergab alles mehr Sinn, die Probleme, die wir seit der Kita hatten bis zu den aktuellen Beobachtungen. Wir waren dankbar, denn mit dieser Erkenntnis konnten wir neue Lösungsstrategien entwickeln, die ihm geholfen haben, den Unterricht zu überstehen.
Es wurde mir nach der Vorstellung der Pool-Lösung mehrfach von allen Richtungen versichert, dass wir uns keine Sorgen, um unsere Schulbegleitung machen müsste. Zum einen, weil es bis Januar 2021 sowieso noch als vom Kreis bewilligt galt; zum anderen würde die Schule mit allen betroffenen Eltern sprechen und gemeinsam abwägen, ob und wenn, welche Änderungen sich für ein Kind ergeben könnten.

Theoretisch hätten wir sogar noch einen Termin zu einem sogenannten Helfergespräch im Dezember gehabt, bei dem Lehrer, Eltern, Schulbegleitung, Schulleitung, Schulsozialarbeit, Kreis und Träger der Schulbegleitung, gemeinsam das weitere Vorgehen beraten sollten. Der Termin fiel aufgrund der Einführung der Pool-Lösung und der Corona-Pandemie aus. Aber ich sollte mit keine Sorgen machen, es stand offensichtlich für alle außer Frage, dass die Schulbegleitung weiterhin laufen würde.

Noch vor einer Woche haben sich Lehrer und unsere Schulbegleitung zusammengesetzt, um den Plan für diese Woche zu besprechen. Damit der Wiedereinstieg möglichst reibungslos verläuft nach der langen Pause. Ich wurde über die aktuelle Einteilung der Stunden informiert. Das war vor einer Woche. Ich brauchte mir offensichtlich also wirklich keine Sorgen machen, was die Schulbegleitung mit der Pool-Lösung angeht.

Am Donnerstag verabredete ich mich noch für ein Telefonat am Freitag mit der Schulbegleitung, um die letzten Tage zu Hause zu besprechen. Meinem Kind sagte ich, es müsse sich keine Sorgen machen, wenn es wegen der Maske schlechter verstehen kann, die Schulbegleitung würde es einfach nochmal erklären, wenn das Kind fragt.

Am Freitag vormittag rief mich die Schule an.

Unsere Schulbegleitung wird einem anderen Kind zugeteilt.

Eine Schulassistentin, die bereits seit dem ersten Jahr sehr viel in dieser Klasse arbeitet (weil die Klasse so herrlich normal unruhig ist), würde ihn nun mehr unterstützen.

Statt 15 Stunden Schulbegleitung, die ihr Hauptaugenmerk auf das Kind hat, dass auch in Pausen und bei Problemen mit anderen Kindern hilft; die ein Auge dafür entwickelt hat, wann es notwendig ist, gemeinsam den Klassenraum zu verlassen und in ein anderes Zimmer zu wechseln, um zu arbeiten; die ein Auge dafür entwickelt hat, wenn das Kind körperliche Beschwerden hat, die es in den meisten Fällen nur auf Nachfragen zugibt – hat nun die Schulassistentin ein weiteres Auge auf ihn. Und die anderen mehr oder weniger schwierigen Klassenkameraden.

Es fand kein „Gespräch“ mit der Schule statt; ich wurde lediglich darüber informiert.

Das Ganze gilt ab sofort, also ab heute.

Super. Nicht.

 

Sunny

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