Wo es mit dem Distanzunterricht noch hapert

Im Moment stehen alle Zeichen darauf, dass wir auch ab dem Montag im Distanzunterricht bleiben. Noch trau ich dem Braten nicht, zu oft wurde kurzfristig doch wieder unvernünftig entschieden, aber laut einem Artikel des NDR soll Schleswig-Holstein am Montag im Distanzunterricht lernen.

Distanzunterricht bedeutet für mich, dass die Kinder Lerninhalte vermittelt bekommen, bekanntes wiederholen und auch in beide Richtungen regelmäßige Rückmeldungen statt finden, also dass die Lehrkraft sagen kann, diese und jene Aufgabe wurde richtig gelöst oder eben nicht und dass das Kind die Möglichkeit hat, fragen zu stellen.

Allerdings ist das mit dem Distanzlernen so eine Sache. Als es den Eltern vor den Weihnachtsferien frei gestellt wurde, die Kinder zu beurlauben, gab es gleichzeitig eine Ansage vom Ministerium, dass in dieser Woche auf keinen Fall neue Lerninhalte vermittelt werden dürften. Das geschah, weil das Ministerium nicht sicher stellen konnte, dass beurlaubte Kinder die Möglichkeit hatten, am Distanzunterricht teilzunehmen. Im Frühjahr war das genauso, auch damals durfte im Distanzunterricht kein neuer Stoff vermittelt werden, weil man damals von der Situation so überrumpelt wurde, dass nicht selten der Kontakt zwischen Lehrern und Schüler in dieser Zeit komplett abbracht. Es gibt ja durchaus Familien, die nicht die Möglichkeiten eines Internetzugangs, eines PCs, Tablets oder sonstigen Endgeräten haben oder diese für die Kinder zur Verfügung stellen können (nicht wenige dürften sie auch einfach selbst benötigt haben, weil sie auch von jetzt auf gleich ins Homeoffice gezwungen wurden.

Allerdings war das im Frühjahr, das ist nun 10 Monate her und es war ohne jegliche Vorbereitungsmöglichkeit aller Beteiligten. Allerdings ist das Spiel jetzt beinahe 10 Monate her. Zwar gab es nach den Sommerferien hier in Schleswig-Holstein eine Abfrage bei den Eltern, bei der man die vorhandenen Endgeräte und Internetzugänge angeben sollte, aber daraus resultiert ist nichts. Ich kenne keine Veröffentlichung dieser Befragung, möglicherweise wurde das auch von Eltern teilweise nicht ausgefüllt. Es ist für mich als Elternteil jetzt schwer abschätzbar, wie groß der Teil der Schüler ist, die zu Hause nicht über ausreichende Möglichkeiten verfügen. Aber der Teil scheint doch größer zu sein, als gedacht, denn auch bei dieser Schulschließung heißt es bisher „Keine neuen Lerninhalte“.

Auf der anderen Seite hörte man vor der neuerlichen Schließung immer wieder das Argument, man hätte ja bereits im Frühjahr so viel Zeit verloren. Von einigen Schulen hörte man auch, dass bisher keine Leihgeräte eingetroffen waren.

Fassen wir also zusammen:
Im Frühjahr konnte kein wirklicher Distanzunterricht stattfinden, weil niemand darauf vorbereitet war. Es gab nach anfänglichem Ruckeln hier die Aufgaben im 2-Wochenrhythmus als Arbeitsblätter nach Hause. Zusätzlich wurde die Anton-App genutzt, wo auch Aufgaben zugewiesen wurden. Das allerdings auch schon von Lehrkraft zu Lehrkraft unterschiedlich. Da sich niemand darauf vorbereiten konnte, kann ich das aber aus Elternsicht ‚verschmerzen‘.

Warum allerdings 9 Monate später wieder so getan wird, als würde man aus allen Wolken fallen, will mir nicht in den Kopf. Auch hier kreide ich in erster Linie das Ministerium an, denn man vermittelte den Lehrern immer den Eindruck, diese müssten sich gar nicht mit den Möglichkeiten weiter beschäftigen, es würde schon nicht zu Schulschließungen kommen. Jo, falsch gedacht. Das Resultat ist, dass die Lehrkräfte wieder in einer Hauruck-Aktion alles umplanen mussten. Zumindest hatte man mittlerweile schon mal mit einigen Systemen Erfahrungen sammeln können. Allerdings ist es auch hier wieder sehr unterschiedlich gelaufen. Während eine Lehrkraft als „Distanzlerninhalt“ der Vorweihnachtswoche lediglich den Hausaufgabenplan hochgeladen hat, dafür aber schon Montag soweit war; gab es von anderen Lehrkräften deutlich mehr, dafür aber erst am Montag Abend/Dienstag morgen.

Was mich immer noch ein wenig nervt, ist, dass jede Lehrkraft ein eigenes System nutzt. Hier Padlet, da Anton, und von manchen Lehrern gab es auch einfach gar nichts. Nicht einmal innerhalb einer Klasse herrscht Einigkeit darüber, womit gearbeitet wird. Nun sind meine Kinder da zum Glück ja ziemlich fix dabei, was das technische Verständnis angeht, aber bei anderen mag das vielleicht ganz anders aussehen. Wenn dann die Eltern auch nicht gerade viel mit Technik am Hut haben, wird es schwierig.

Aber dafür gab es ja reichlich Zeit, um das zu üben. Sagt man zumindest. In der Praxis hat ein Kind in der Schule noch ab und zu mal mit den verschiedenen Systemen gearbeitet, das andere gar nicht. Ein Kind könnte sich nun durchaus mit neuen Themen auch darüber beschäftigen. Das andere mit Hilfe auch. Aber es gibt ja keine neuen Themen.

Und dann verstehe ich an dieser Stelle natürlich auch den Vorwurf der Ministerien, dass die Zeit des Homeschoolings nicht effektiv von den Kindern genutzt wird/wurde. Dass die Kinder das eher als zusätzliche Ferien ansehen würden. Hm…nunja. Also wenn die Kinder nur eine Handvoll Aufgaben erhalten, die sie innerhalb von 1 Vormittag fertig bearbeitet haben, haben sie die restliche Woche halt faktisch „frei“. Das ist aber nicht den Kindern vorzuwerfen, sondern liegt einfach an den Einschränkungen, die auch den Lehrern auferlegt werden.

Es wäre also in meinen Augen viel wichtiger, dass die Lehrer von den Ministerien tatsächlich darin unterstützt werden, Distanzlernangebote auf die Beine zu stellen. Dass man ihnen Plattformen an die Hand gibt, die stabil genug laufen und den Datenschutzanforderungen genügen; oder ihnen alternativ eine Liste gibt mit technischen Lösungen, die als Notlösung funktionieren. Und wenn man es nicht schafft das eine oder das andere auf die Reihe zu bekommen, dann sollte man wenigstens so fair sein, und den Lehrern die selbst nach Lösungen suchen, nicht auch noch in den Rücken fallen, wie das teilweise im Frühjahr geschehen ist.

Es wäre außerdem wichtig, dass Lehrer die benötigten Materialien gestellt bekommen, um auch neue Lerninhalte zu vermitteln. Dabei rede ich noch nicht mal von Dienst-Laptops, die meisten Lehrer werden sowieso notfallmäßig auf ihre privaten Geräte gesetzt haben. Aber unter Umständen benötigt man auch mal eine Kamera oder ähnliches. Und wenn die Lehrkräfte Fortbildungen in der Didaktik auf Entfernung benötigen, dann sollen die Ministerien auch dafür sorgen.

Und wenn die Ministerien das alles nicht auf die Reihe kriegen – dann sollen sie wenigstens so ehrlich sein, ihre Verfehlungen zugeben und offen sein für Lösungsvorschläge von Eltern, Elternbeiräten, Schulen, Lehrkräften und allen, die ein wenig was mit der Materie zu tun haben. Und findet man dann immer noch keine zufrieden stellende Lösung, sollte man das nicht den Kindern vorwerfen. Denn eine Kernkompetenz, die wir ja den Kindern in der Schule vermitteln sollen, ist Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Da sollten wir Erwachsene schon mit gutem Beispiel voran gehen.

Sunny

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